Jakov Il'ic Frenkel'
* 10.2.1894 Rostow am Don, Rußland
† 23.1.1954 Leningrad
Als Kind war Jakov an Musik und Malerei interessiert. In der Schule jedoch mehr an Mathematik und Physik. Mit 17 Jahren schrieb er seinen ersten mathematischen Artikel, in dem er eine neue Art der Differentialrechnung erfand. Doch es zeigte sich, daß sie als Methode der finiten Differenzen schon existierte. Von 1913 bis 1916 studierte er am Petrograder Polytechnischen Institut, blieb noch ein Jahr dort an einem Seminar von Joffe und lehrte ab 1918 an der neugegründeten Universität in Simferopol (Krim). Im Jahre 1919 wurde er Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Frenkel kehrte 1921 nach Petrograd (Leningrad) zurück und arbeitete bis zu seinem Lebensende am Physikalisch-Technischen Institut, dessen theoretische Abteilung er leitete. Neben Tätigkeiten in weiteren Instituten leitete er in den 30er Jahren auch die theoretische Abteilung des Instituts für Physikalische Chemie.
1930 bis 1931 weilte er in den USA, wo er an der Universität von Minnesota unterrichtete.
Frenkels Werk ist außerordentlich umfangreich und seine Untersuchungen umfaßten extrem viele Gebiete der Theoretischen Physik. Er war einer der Begründer der modernen molekularen Theorie des Festkörpers. 1916 entwickelte er eine auf das Bohrsche Atommodell gestützte Theorie der elektrischen Doppelschicht auf der Oberfläche von Metallen, welche die ersten Berechnungen der Oberflächenspannung von Metallen und deren Kontaktspannung erlaubten.
Im Jahre 1927 versuchte er als erster eine Theorie der Metalle zu erarbeiten, die auf den Darstellungen der Quantenmechanik fußte. Es gelang ihm, damit eine Erklärung für die große mittlere freie Weglänge der Elektronen in Metallen zu geben. 1928 entwickelte er eine einfache und elegante Ableitung der Paulischen Theorie auf den Paramagnetismus von Metallen und er gab die erste quantenmechanische Erklärung für den Ferromagnetismus, die, davon unabhängig, etwas später in Heisenbergs Theorie entwickelt wurde. Frenkel verknüpfte die Elektronentheorie der Metalle mit dem Fermi-Thomas-Modell sowie der Theorie der Kerne und Neutronensterne. 1930-31 untersuchte er detailliert die Absorption von Licht in festen Dielektrika und Halbleitern und zeigte zwei verschiedene Formen der Anregung in Kristallen: Eine Absorption von Licht, die zu einem angeregten Zustand ohne Ionisation führt nannte Frenkel Exciton, da solch ein Zustand in Dielektrika oder Halbleitern die Eigenschaften eines Quasiteilchens hat.
Frenkel hob die Ähnlichkeiten zwischen Flüssigkeit und Festkörper hervor und betrachtete Flüssigkeiten als Körper mit einer Nahordnung jedoch ohne Fernordnung, eine Ansicht, die sich als sehr fruchtbar erwies. Er bemerkte ferner, daß ausgehend von der thermischen Bewegung, Moleküle auch um Gleichgewichtszustände zwischen Gitterplätzen schwingen können. Die dadurch entstehenden freien Gitterplätze (Frenkelsche Fehlstellen) wandern durch den Kristall. Frenkel schenkte den mechanischen Eigenschaften der Festkörper einige Beachtung. In einer gemeinsamen Veröffentlichung mit T.A. Kontorova wurde theoretisch demonstriert, daß in verzerrungsfreien Kristallen eine besondere Art wandernder Teilchen auftreten können: Eine kontinuierliche Verschiebung von Atomreihen von einer Gleichgewichtslage zur nächsten. Diese Theorie erlaubte eine Erklärung von einigen spezifischen Problemen der plastischen Deformation (s. Kap. 4.1).
Frenkels Forschungen hatten einen wesentlichen Einfluß auf die Entwicklung der Elektrodynamik, die Theorie der Elektronen und der Atomkerne. 1936 baute er eine statistische Theorie schwerer Kerne auf und 1939, kurz nach der Entdeckung der Spaltung schwerer Kerne entwickelte er unabhängig von Bohr und J.A. Wheeler eine Theorie, die die Kernspaltung als Ergebnis elektrokapillarischer Oszillationen elektrisch geladener Tröpfchen von Kernflüssigkeit darstellte.
Frenkel löste auch viele Probleme in der Meteorologie, der Geophysik und des Geomagnetismus.
Quellen:
[Tamm 1962],
[Frenkel 1974] sowie
Victor Ja. Frenkel: Yakov Il´ich Frenkel (1894 1952): Materials for his Scientific Biography. Archive for History of Exact Sciences (1974) 1-26.
Und: The Dictionary of Scientific Biography, New York 1970-78.